WESHALB DIE DUCK-UND-WEG-STRATEGIE DEM THEATER NICHT HILFT

Bühnen Bern schafft es seit Jahren nicht, aus früheren Fehlern zu lernen. Schuld daran hat nicht nur das Personal – sondern auch die Struktur.

Auch am Montag blieb die Chefetage von Bühnen Bern wortkarg. Im Raum stehen die Vorwürfe der ehemaligen Tanz-Spartenleiterin Estefania Miranda. Sie hatte gegenüber dieser Redaktion von ihrem Burn-out und dem anschliessenden Rücktritt berichtet, von einem Comeback als Choreografin und Beraterin, das ihr letztlich verwehrt blieb. Von Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Intendant Florian Scholz – und zu guter Letzt von ihrem Arbeitsvertrag, der nie unterschrieben wurde.

Wie konnte es so weit kommen? Bühnen Bern wies bereits letzte Woche die Vorwürfe pauschal zurück, verzichtete aber gleichzeitig darauf, drängende Fragen zu beantworten. Auch am Montag lehnten Stiftungsratspräsidentin Nadine Borter und Florian Scholz Interviewanfragen ab. Nach mehrmaligen Nachfragen verschickte Bühnen Bern ein schriftliches Statement.

Wegen der laufenden Auseinandersetzung um die Abfindung will man vonseiten des Theaters keine detaillierte Auskunft geben. Die Theaterleitung beteuert, der Schutz der Mitarbeitenden stehe an erster Stelle. «Das wurde auch im Verhältnis zu Frau Miranda stets so gelebt, weshalb der Vorwurf der Missgunst und des Mobbings entschieden zurückgewiesen wird.»

Nicht nur im aktuellen Fall entsteht der Eindruck, Bühnen Bern sei für Konflikt- und Krisensituationen nicht gut gerüstet. Fünf Gründe dafür:

Im Zweifelsfall: Schweigen

Anstatt die Perspektive der Theaterleitung einzubringen, statt Gegenrede zu geben, statt Fehler einzugestehen oder Missverständnisse auszuräumen, wird erst einmal geschwiegen. Das ist nichts Neues: Bei der Affäre um die angeblichen Übergriffe des Probenleiters, die vor einem Jahr öffentlich wurde, agierte das Vierspartenhaus bereits unglücklich. Zunächst wogen die Vorwürfe zu wenig schwer für einen Rauswurf des Probenleiters. Als bei einer internen Untersuchung ein weiterer Vorfall erkannt wurde, musste er gehen. Kommuniziert wurde die Freistellung aber nicht. Letztlich sickerte die Personalie dann doch durch.

Dort, wo der Kommunikationsfluss fliessen sollte, sickert hingegen weniger durch: So wurde der Stiftungsrat nach der Probenleiter-Affäre letztes Jahr von der Stadt Bern gerügt – weil er es unterlassen hatte, die grösste Geldgeberin über die Ereignisse zu informieren.

Es entsteht der Eindruck, die Theaterleitung wolle die Probleme aussitzen, statt sie anzupacken und aktiv darüber zu reden. Mehrere Quellen aus dem Haus geben an, Florian Scholz kommuniziere aus Angst vor der Presse so defensiv.

Bühnen Bern lernt nicht aus den Fehlern

Es ist nicht die erste Krise für Bühnen Bern. In der Ära des Intendanten Stephan Märki zwischen 2011 und 2018 kam es zum Streit mit der damaligen Schauspielchefin Stephanie Gräve, danach mit deren Nachfolger Cihan Inan. Auf diesen Knatsch baute der finale Knatsch auf: Weil Stephan Märki gegenüber dem Stiftungsrat eine Liebschaft abgestritten hatte – die Frau war im Machtgerangel beim Schauspiel involviert –, musste er gehen.

Danach setzte Bühnen Bern ein viel diskutiertes Papier auf: einen Verhaltenskodex, der den Umgang im Vierspartenhaus regeln sollte. Unter dem Punkt «Ethische Grundwerte» sind Schlagworte wie «Integrität», «Handlungsverantwortung», «Respekt» und «Vertrauen» aufgelistet. Angesichts des jüngsten Falls ist die Wirkung dieses Papiers zumindest fragwürdig.

Defizite in der Betriebskultur

Die Leitung geht am besten mit gutem Beispiel voran, wenn es um eine positive Betriebskultur geht. Zumindest in Bezug auf den Umgang mit Estefania Miranda scheint das nicht der Fall gewesen zu sein. Diese berichtet von persönlichen Verletzungen und sagte: «Ich fühlte mich gemobbt.» Insider bestätigten im Zuge der Recherche, dass Scholz abschätzig über Miranda gesprochen habe. Scholz bestreitet dies.

Macht und Ohnmacht des Intendanten

Reibereien zwischen Personen kommen in vielen grösseren Betrieben vor. Warum aber steckt bei Bühnen Bern – auch in wechselnden Konstellationen – immer wieder der Wurm drin? Fatal im Fall von Bühnen Bern ist, dass Spannungen schon in der Organisationsstruktur angelegt sind. Das Vierspartenhaus entstand 2011 durch die Fusion von Stadttheater Bern und dem Berner Symphonieorchester. Damals mussten zwei Betriebskulturen zusammengeführt werden – und das liess sich nur mit einer relativ grossen Autonomie der Sparten bewerkstelligen.

Daraus entstand ein Modell, in dem zwar ein Intendant einen grossen Betrieb mit vier Sparten führt, aber gar nicht so viel Macht hat, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn sein Spitzenpersonal – die Spartenleitungen – bestimmt nicht er, er schlägt nur vor. Sie werden durch den Stiftungsrat gewählt. Die Spartenleitungen bilden mit anderen Führungskräften aus den technischen Bereichen die Geschäftsleitung und verhandeln dort die Gleichgewichte im Haus. Ein Intendant muss sich also inmitten starker Player behaupten. Die Struktur ist nur auf den ersten Blick sehr hierarchisch. Auf den zweiten ist sie vor allem wackelig.

Umso komplizierter wird es, wenn der Intendant selbst Sparten führt. Derzeit leitet Florian Scholz interimistisch das Berner Symphonieorchester und – de facto – teilweise die Opernsparte, weil Co-Operndirektor Nicholas Carter nicht sehr oft im Haus ist.

Die Stiftungsrätin mit dem Feuerlöscher

Stiftungsratspräsidentin Nadine Borter ist bis jetzt vornehmlich als Feuerlöscherin in Erscheinung getreten. Ihre erste Amtshandlung war 2018 die Auflösung von Stephan Märkis Vertrag. Sie führte den erwähnten Verhaltenskodex ein. Seither sind die Krisen nicht weniger geworden. Sie unterstützt den derzeitigen Intendanten Florian Scholz bei der Bewältigung der Hindernisse. Die Geschäftsführerin einer Werbeagentur schafft es dabei aber nicht, ihr Know-how aus der Kommunikationsbranche so weit einzubringen, dass das Haus in der Lage wäre, nicht regelmässig Schaden wegen der eigenen Unzulänglichkeiten zu nehmen. Von einem Zustand, in dem man die Probleme mit Weitsicht und Souveränität anpackt, ist Bühnen Bern weit entfernt.

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